Die Räumlichkeiten des DJR Bildungs- und Kulturzentrums haben sich am 15. September sehr schnell gefüllt. An diesem literarisch-musikalischen Abend wurde der talentierten Sängerin Anna German gewürdigt. Ihre Lieder wie Надежда (Nadeschda, 1980) oder Эхо любви (Echo ljubwi, 1987) sind weltberühmt.
Das Abendprogramm wurde von Dr. Margarita Unruh-Zyganova (Chemnitz) und Helena Urmeew (Köln) moderiert. Emotional und voller Begeisterung wurde aus der Biografie Anna Germans vorgetragen. Musikalisch wurde der Abend von Ivan Ilichew (Moskau), Sänger und Biograf von Anna German, begleitet. Dieser junge Mann begeisterte sich für das Leben von Anna German seit er ein kleines Kind war. Nach jahrelanger und intensiver Recherche verfasste er eine Biografie von Anna German.

Dr. Margarita Unruh-Zyganova ließt aus der Biografie von Anna German vor.
An diesem Abend hatten die Gäste die Gelegenheit unbekannte Seiten des Lebens Anna German zu entdecken, ihre Lieder zu hören und Leute
zu treffen, die sie persönlich kannten.
Anna Viktoria German wurde in Urgentsch, einer Kleinstadt in Usbekistan, damals Teil der Sowjetunion, 1936 geboren. Sie wurde als polnische Sängerin russlanddeutscher Abstammung bekannt. Sie sang in polnischer und russischer Sprache, aber auch auf Deutsch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Mongolisch und sogar in Latein. Ihre Eltern waren Russlanddeutsche mennonitischen Glaubens. German ist die russifizierte Form des deutschen Namens Hörmann. 1937/38 wurde der Vater von Anna German vom sowjetischen NKWD hingerichtet. Anna, ihre Mutter und ihre Großmutter wurden daraufhin nach Usbekistan verbannt. Mit ihrer Mutter sprach Anna German Plautdietsch. Auch Dr. Margarita Unruh-Zyganova erzählte von einem ganz besonderem Erlebnis aus ihrer Kindheit. Auf einem Konzert von Anna German hatte sie als Kind die Bühne mit einem Blumenstrauß betreten und Anna German auf Plautdietsch angesprochen. Darauf folgte ein langes Gespräch in der Umkleidekabina von Anna German gemeinsam mit Dr. Margarita Unruh-Zyganovas Mutter und Großmutter. Man hatte sich doch mehr zu erzählen als man zuvor gadacht hätte. Die Familienschicksale waren sehr ähnlich.
Die Mutter Irma German war eine Zeit lang Deutschlehrerin in einer sowjetischen Schule. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs gelang es ihr, ihre deutsche Abstammung zu verschleiern und gab als ihre Nationalität Niederländisch an, um die Familie vor Verfolgungen zu schützen, denen die meisten Russlanddeutschen aufgrund des Deutsch-Sowjetischen Kriegs ausgesetzt waren. Durch eine zweite Ehe mit dem polnischen Offizier Herman Gerner, der ebenfalls nach Usbekistan verbannt worden war, gelang es der Mutter, 1946 nach Polen auszusiedeln und somit sich selbst und ihre Tochter Anna außer Gefahr zu bringen. In der Sowjetunion hatte Anna nur ein Jahr die Schule besuchen können, sprach aber neben Deutsch nun auch Russisch.
In Polen ließ sich die Familie, bestehend aus Mutter, Großmutter und Anna, zunächst im inzwischen polnischen Nowa Ruda (Neurode) in Niederschlesien nieder, bevor sie 1949 nach Breslau zogen. An der dortigen Universität schloss Anna German auch ihr Studium der Geologie erfolgreich ab. Noch während ihrer Studienzeit begann Anna im Kalambur-Theater in Breslau als Sängerin aufzutreten.
Auch auf der Musikmesse in Cannes trat sie auf. Als eine der wenigen Sängerinnen aus dem sozialistischen Ländern tourte sie durch Westdeutschland, Belgien, die USA, Kanada und Australien. Sie trat aber auch weiterhin in den osteuropäischen Ländern auf, unter anderem auch in der DDR. Die sowjetische Firma Melodija (Мелодия) veröffentlichte seit dem Jahr 1965 eine Reihe von Alben von ihr, auch nach ihrem Tod 1982. Für Anna German komponierten sehr populäre sowjetische Komponisten wie A. Pachmutova (А. Пахмутова), A. Babadganjan (А. Бабаджанян), E. Ptitschkin (Е. Птичкин), Jan Frenkel (Ян Френкель), Oskar Felzmann (Оскар Фельцман) und W. Schainski (В. Шаинский).
1982 starb Anna German im Alter von nur 46 Jahren an Krebs und wurde in Warschau beerdigt.
Auch mehr als drei Jahrzehnte nach ihrem Tod ist Anna German im kollektiven Bewusstsein der polnischen und russischen Bevölkerung stark verankert, dies hat auch die Atmosphäre des Anna German Abends am 15. September ausgestrahlt. Der Abend fand in gemeinsamen Gesprächen und beim leckeren Buffet seinen Ausklang.
Der Anna German Abend wurde von DJR-Hessen e.V., Natalia Wagner (Leiterin des DJR Bildungs- und Kulturzentrums) und Dschmilia Hergenreder organisiert.
Ein herzliches Dankeschön richtet sich an alle weiteren aktiven Beteiligten, die diesen Abend ebenfalls ermöglicht haben.

Begrüßung der Gäste durch die Leiterin des DJR Bildungs- und Kulturzentrums Natalia Wagner.